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Alternativen zu WordPress

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CC-BY-NC-SA: Arno Kath

Es weht ein Wind der Veränderung durch die Bloglandschaft. In der Vergangenheit bedeutete ernsthaftes Bloggen eigentlich immer, sich für wenige Euros im Monat etwas Platz auf einem Server zu mieten, eine eigene Domain zu bestellen und anschließend WordPress zu installieren. Fünf Minuten reichen aus, um eine funktionstüchtige Website aufzusetzen. Das erklärt auch die ungeheure Popularität des Blog-Werkzeugs: 22 Prozent der neu angemeldeten Domains in den USA werden im Hintergrund von WordPress angetrieben, Tendenz steigend. Und nebenbei ist die Automattic-Software mittlerweile das meistgenutzte CMS der Welt mit einem Marktanteil von über fünfzig Prozent.

State of the Word

Doch es läuft nicht alles optimal: Das System hat sich über die Jahre stark aufgebläht und wurde mit jedem Versionssprung um unzählige Features reicher. Unter der Oberfläche sah es dadurch immer unordentlicher aus und man bekam das Gefühl, die Entwickler selbst hätten längst die Kontrolle über ihr eigenes Werk verloren. Für Bugfixes und dringend notwendige Sicherheitsupdates blieb bei dem hohen Tempo kaum noch Zeit. Man muss aber auch ganz klar zugeben, dass die Funktionsvielfalt von der Mehrheit der Nutzer eindeutig gewünscht wurde. Der Anwender-Gemeinde wurde immer die Möglichkeit gegeben, sich in Umfragen einzubringen und richtungsweisende Schwerpunkte zu setzen. Für viele war die Idee eines höchst flexiblen und vielseitigen CMS, das sich trotzdem die Leichtigkeit der Anfangstage bewahren möge, offenbar sehr verlockend. An mögliche Komplikationen dachten wohl die Wenigsten.

Acht Jahre nach Veröffentlichung der ersten stabilen Version kann man mit einer einzigen WordPress-Installation unendlich viele Blogs betreiben. Die Komplexität hat dabei ein solches Ausmaß erreicht, dass ich bei diesem Blog schon mit einem simplen Serverumzug vor ein größeres Problem gestellt wäre. Die dedizierte Exportfunktion aller Artikel und Seiten lässt in der Regel wichtige Inhalte aus – manchmal fallen Flash-Objekte und andere Bestandteile des Markups der Autokorrektur zum Opfer; in anderen Fällen verlieren die Posts ihre ursprünglichen IDs, was bei einem URL-Schema ohne “sprechende” Permalinks fatal ist. Andererseits würde ich auch nicht einfach die komplette Datenbank klonen wollen, weil sich dort über die Jahre Rückstände diverser Plugins, automatisch gespeicherte Artikel-Revisionen und allerlei andere Atavismen angesammelt haben. Versucht man dort manuell aufzuräumen, läuft man große Gefahr, versehentlich einen integralen Bestandteil der Software zu löschen.

Aber glücklicherweise ist Rettung in Sicht: Matt Mullenweg, der in der Regel ein sehr gutes Gespür für die Bedürfnisse der Community besitzt, will sich dem Problem annehmen. Er kündigt eine radikale Vereinfachung des Interfaces an, die sich besonders auf die Nutzer mobiler Geräte positiv auswirken soll. Wir wollen hoffen, dass diese Richtungsänderung langfristig auch die Entwicklung des Cores beeinflusst und WordPress insgesamt wieder schlanker wird.

Es gibt Alternativen

Allen, die nicht länger auf eine Verbesserung der Situation warten wollen und bereit sind, den vollständigen Ausstieg zu wagen, möchte ich hier eine Reihe von Alternativen auflisten. Die Zusammenstellung einer solchen Liste hatte ich ja schon länger geplant und in der Zwischenzeit haben sich noch ein paar weitere Applikationen dazugesellt. Es besteht definitiv kein Anspruch auf Vollständigkeit und mit den meisten Systemen habe ich mich ehrlich gesagt auch nicht sehr lange beschäftigt. Ausführliche Tests nehmen sehr viel Zeit in Anspruch. Wenn ihr selbst einen Blick auf eine Demo-Installation einer bestimmten Software werfen möchtet, kann ich euch den Service von OpenSourceCMS wärmstens empfehlen. Die meisten Anbieter gewähren sowieso einen probeweisen Backend-Zugang auf ihrer eigenen Seite. Ich möchte lediglich eine grobe Übersicht über den aktuellen Markt geben.

Selbstgehostete und dateibasierte CMS

Kirby

Die Installation beschränkt sich auf das Hochladen einiger Dateien, danach kann man seine Inhalte als Textdateien in einer hierarchischen Ordnerstruktur hinzufügen. Das Markdown-Format wird nativ unterstützt. Die API bietet vielfältige Konfigurationsmöglichkeiten. Es wird zwar ein rudimentäres Template mitgeliefert, von der Anpassung durch den Benutzer wird jedoch mehr oder weniger ausgegangen. Der Quellcode von Kirby ist öffentlich einsehbar, aber der Einsatz jenseits einer lokalen Testumgebung ist kostenpflichtig.

Octopress

“A blogging framework for hackers” lautet die Selbstbeschreibung dieses Stückchen Software, das eigentlich nur ein Framework für den Seiten-Generator Jekyll ist. Das Programm selbst läuft auf dem lokalen Rechner und generiert statische HTML-Seiten, die dann hochgeladen werden können. Der Vorteil ist eine deutliche Entlastung des Webservers. Auch hier wird die Auszeichnungssprache Markdown nativ unterstützt. Ein Standard-Template in HTML5 und Schnittstellen zu diversen Social-Media-Plattformen sind integriert.

GetSimple

Ein sehr ansprechendes und übersichtliches Design in Kombination mit hoher Flexibilität: Es lassen sich Plugins nachrüsten und sehr einfach eigene Themes erstellen. Der Code ist umfassend dokumentiert und die Community leistet unerfahrenen Nutzern im Forum Hilfe. Die Software besitzt einen WYSIWYG-Editor und auch eine automatische Backup-Funktion ist bereits integriert. Ideal für diejenigen, die nicht auf die hohe Anpassbarkeit von WordPress verzichten möchten und trotzdem von der Einfachheit simpler XML-Dateien profitieren wollen.

PivotX

Mit einer einzigen Installation lassen sich beliebig viele Weblogs betreiben. Daher empfiehlt es sich für Betreiber großer Seiten, doch auf die Anbindung zu einer MySQL-Datenbank zu setzen; anderen Anwendern wird die Flat-File-Unterstützung ausreichen. Erweiterungen, Themes, Kommentare und mehrere Benutzer werden unterstützt. Auch hier findet das Schreiben in einem WYSIWYG-Editor statt. Außerdem erstellt die Software auf Wunsch automatisch einen XML-Feed.

razorCMS

Ein modular aufgebautes System, bei dem sich einzelne Funktionsgruppen einfach über sogenannte “Blade Packs” nachrüsten lassen. Unter anderem gibt es ein solches Paket mit einem WYSIWYG-Editor. Es lassen sich Benutzer mit unterschiedlichen Rechten anlegen und eine Backup-Funktion ist bereits in den Core integriert. Das Anlegen und Verwalten mehrerer Themes wird unterstützt.

SkyBlue

Ausgehend von einer XML-Dateistruktur können auch hier Inhalte in einem WYSIWYG-Editor angelegt und bearbeitet werden. Templates lassen sich im Backend verwalten und editieren. Die Konfigurationsmöglichkeiten sind vielfältig, können jedoch auch über Add-Ons erweitert werden, die an die flexible API andocken. Gruppen von Inhalten lassen sich in sogenannten “Collections” zusammenfassen. Ein RSS-Feed wird automatisch erstellt.

FlatPress

Die offizielle Website ist gerade nicht erreichbar und man sollte wohl besser im Vorfeld überprüfen, ob die Software überhaupt noch weiterentwickelt wird, bevor man einen vollständigen Umzug wagt. Es scheinen aber immer noch recht regelmäßig neue Versionen veröffentlicht zu werden. Das Backend ist recht einfach gehalten und der Texteditor setzt auf BBCode. Es werden auch Plugins und verschiedene Templates mit Widgets unterstützt.

Selbstgehostete und datenbankbasierte CMS

ProcessWire

Ein sehr ungewöhnlicher Ansatz, bei dem über Custom Fields nicht nur die Ausgabe im Frontend, sondern auch die Eingabemöglichkeiten im Backend gesteuert werden. Es werden beim Editieren also nur Felder angezeigt, die auch eine konkrete Auswirkung auf den sichtbaren Inhalt der Website haben. Dadurch wird die Komplexität reduziert, was nicht nur Endanwendern, sondern auch kreativen Entwicklern zugutekommt. Die API orientiert sich an jQuery und stellt sicher, dass sich die Software einfach konfigurieren und skalieren lässt.

Habari

Gegründet von einigen WordPress-Aussteigern und seinem großen Bruder nicht unähnlich. Der Unterschied besteht hauptsächlich in einer noch stärkeren Integration der Community. Aktive Nutzer bekommen Stimmrechte und können sich an der Fortentwicklung der Software beteiligen. Wichtige Entscheidungen sollen von einer möglichst breiten Masse mitgetragen werden. Der Umstieg von WordPress aus sollte nicht allzu kompliziert ausfallen; es gibt für diesen Fall auch eine spezielle Importfunktion. Das Interface macht einen aufgeräumten Eindruck und lässt sich einfach über Tastenkürzel bedienen.

Nicht-selbstgehostete CMS

scriptogr.am

Wie schon bei Kirby und Octopress werden die Inhalte hier in Textdateien und Ordnerstrukturen organisiert. Der Unterschied ist, dass die eigentliche Software auf einem zentralen Server läuft, auf den man keinen vollständigen Zugriff hat. Dafür geht die Einrichtung sehr schnell und die Dateien müssen nicht mühsam über FTP hochgeladen werden, sondern können einfach in der Dropbox abgelegt werden. Auch hier wird Markdown-Text automatisch weiterverarbeitet. Der Einsatz eigener Templates ist möglich, ebenso lässt sich eine Weiterleitung von einer persönlichen Domain einrichten.

Tumblr

Innerhalb weniger Sekunden lässt sich mit dem Bloggen beginnen. Die Katgorisierung von Artikeln in Foto-, Audio-, Videoposts etc. ist Teil des großen Erfolgs und hat mittlerweile auch Einzug in WordPress gefunden. Einen anderen Vorteil stellt die “Reblog”-Funktion dar, mit der bestehende Inhalte von anderen Autoren per Knopfdruck in das eigene Blog übernommen werden können. Vor allem der Einsatz von Bildmedien steht klar im Vordergrund. Dadurch wird ein völlig neues Erlebnis des Publizierens geschaffen, dass dem Microblogging recht nahe kommt. Auch hier ist der Einsatz eigener Templates und die Weiterleitung von einer persönlichen Domain möglich, ansonsten sind die Konfigurationsoptionen aber sehr begrenzt.

Welches System passt zu mir?

Der Umstieg von einer Datenbank zu einem rein XML-basierten CMS sollte nicht allzu schwer fallen, solange die restliche Funktionsvielfalt nicht übermäßig eingeschränkt wird. Kompliziert wird es, wenn zusätzlich auch noch der WYSIWYG-Editor wegfällt und man fortan seine Artikel im Markdown-Format ins Notepad tippen muss. Dafür erkauft man sich mit diesem Purismus eine deutlich verbesserte Server-Performance und eine höhere Anpassbarkeit.

Die Aufgabe des eigenen Servers zugunsten einer zentralen Plattform kann ich nicht empfehlen. Man macht sich dadurch von einem Anbieter abhängig, der die Software jederzeit nach seinen Wünschen verändern kann. Die Konfigurationsmöglichkeiten sind in der Regel sehr beschränkt. Andererseits erhält man mit einem solchen Service die Möglichkeit, innerhalb weniger Sekunden mit dem Schreiben des eigenen Blogs zu beginnen und muss sich auch zukünftig nur am Rande mit der hintergründigen Technik auseinandersetzen.

Vor einem vollständigen Umzug empfiehlt sich immer, das System seiner Wahl erst einmal ausgiebig lokal (zum Beispiel unter XAMPP) oder auf einem ungenutzten Webserver zu installieren. So kann die Migration auch erst einmal geprobt werden und mögliche Komplikationen haben noch keine fatalen Auswirkungen. Funktioniert der Feed? Ist das Kommentarsystem gegen Spam abgesichert? Wird sichergestellt, dass meine alten Links nicht ins Leere laufen?

Am Ende wird dann hoffentlich jeder mit seinem neuen Web-Zuhause glücklich. Fröhliches Bloggen!

Florian Lehmuth
26. Mai 2012
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