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Winnenden

CC-BY-SA: Ben Smith

Wieder einmal ein Amoklauf. Unsägliches Leid bei den Angehörigen der 16 Todesopfer. Und sofort beginnt wieder die Debatte: Der Täter war ein Einzelgänger, spielte Counter Strike & Co und sammelte Horrorfilme. Ein Verbot der Killerspiele muss her!

Für mich ist das ein völlig falscher Ansatz. Das Spielen von Killerspielen macht einen Menschen doch noch lange nicht zum brutalen Amokläufer, der sich an seinen Massakern ergötzt! Ich würde selbst ziemlich gut in das Klischee des verschlossenen Zockers passen, obwohl ich nicht unbedingt meine ganze Freizeit beim Computerspielen verbringe, sondern eher aus meinen Augen sinnvolle Arbeit am PC verrichte. Aber trotzdem wäre es für mich undenkbar, einen Menschen auch nur zu verletzen. Ich kämpfe in meiner Partei für ein Leben in Einklang mit der Natur und den Mitmenschen und besuche dennoch des Öfteren LAN-Partys.

Die wahre Ursache – oder zumindest ein Teil davon – für die gestiegene Zahl von Amokläufen und allgemein von Gewalttaten, die von Jugendlichen verübt werden, liegt für mich in der radikalen Veränderung von Kommunikation in unsrer Gesellschaft. Früher war es ganz normal, dass man zu jeder Zeit mit den Eltern oder Geschwistern über seine Probleme reden konnte. Heute ist die Dauer der Kommunikation innerhalb der Familie auf wenige Minuten pro Tag gesunken. Traurige Folge ist, dass sich mitunter schon Fünftklässler in psychologische Behandlung geben müssen, weil sie den angestauten Druck aus der Schule nicht mehr ertragen können.

Die allermeisten Jugendlichen sind Teil von Social Communities, dort mögen sie zwar viele Freunde haben, jedoch werden sie die allermeisten ihrer Bekanntschaften noch nie im echten Leben getroffen haben (gilt nicht unbedingt für Studi/SchülerVZ). Deshalb ist es ganz natürlich, dass sich Aggressionen aufstauen, die Hinwendung an Killerspiele ist dann womöglich noch der beste Weg, diese abzubauen. Durch die mangelnde Kommunikation wird auch das Einfühlungsvermögen in andere Personen geschwächt, was sich sehr deutlich am Mobbing zeigt. Ein solches Phänomen war früher in derart ausgeprägter Form schlichtweg nicht vorhanden.

Andererseits möchte ich hiermit zwar durchaus Social Communities kritisieren, aber nicht Twitter. Ich habe mich vor kurzem auch dazu hinreißen lassen, dem Microblogging-Dienst beizutreten, und schätze das Gezwitscher als nützliches Mittel, um schnell und einfach Links und kurze Impressionen auszutauschen. Deshalb kann ich mich auch Nico auf Spreeblick anschließen, der sich gegen die unkritische Berichterstattung in den traditionellen Medien auslässt. Mich persönlich hat die Reduktion des Attentaters auf Einzelgänger>keine Freunde>CS>Amoklauf im ZDF sehr gestört und das Anschließende Ablästern über Twitter hat die Lage des Öffentlich-Rechtlichen nicht gebessert. Allerdings ist gerade eben nach Heute Nacht die arte-Doku “Amokläufer im Visier”, die sich insbesondere mit dem Vorfall in Emsdetten auf wissenschaftlicher Ebene befasst, ausgestrahlt worden und hat mich zum Zusehen verleitet, was ich dem Zweiten dann doch positiv anrechne.

Auch interessant: Brief ans ZDF

Und ganz frisch gepostet: Johnny von Spreeblick sagt seine Meinung

Dieser Artikel spricht mir aus der Seele: Graubrot – unfassbar?

Florian Lehmuth
12. März 2009
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4 Kommentare

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