Proudly made on earth

Kino: Submarine

»I find that the only way to get through life is to picture myself in an entirely disconnected reality,« gesteht uns Oliver Tate gleich zu Beginn von Submarine. Das macht er dann auch, als er sich die möglichen, aber unwahrscheinlichen Reaktionen seines Umfelds auf seinen plötzlichen Tod ausmalt. Oliver ist 15 Jahre alt und kämpft mit den üblichen Komplikationen des Erwachsenwerdens. Während Jordana, in die er sich verliebt hat, nicht wie gewünscht auf seine Avancen reagiert, muss er gleichzeitig mit ansehen, wie die sowieso schon angespannte Ehe seiner Eltern langsam zerbröckelt. Er wächst Mitte der achtziger Jahre im walisischen Swansea auf, was den Zuschauer in den Genuss von herrlich meditativen Aufnahmen des Meers in Kombination mit skurriler Retro-Optik kommen lässt. Obwohl er ganz klar Außenseiter ist, führt seine verzerrte Selbstwahrnehmung dazu, sich als populären, feinsinnigen Intellektuellen zu betrachten.

Da Oliver seine Erlebnisse die ganze Zeit über in der ersten Person schildert, entstehen zusammen mit der visuellen, also extern fokalisierten, und der musikalischen drei Erzählebenen, die nur zu oft miteinander kollidieren und so eine wunderbare Ironie erzeugen. Erinnert ihr euch noch an das hochgefeierte Solodebüt von Alex Turner? Anfang des Jahres machte es eine große Runde durch die Blogosphäre. Für exakt diesem Film wurden die sechs Songs überhaupt erst geschrieben. Trotzdem ist es fast ein wenig schade, dass gerade mit dem Namen Alex Turner so exzessiv geworben wird, wo doch schon der Soundtrack nur zur Hälfte aus seinen Beiträgen besteht und auch Andrew Hewitt, verantwortlich für die Musik, die ganze Produktion noch einmal sehr bereichert. Oftmals prallt die dramatische, klassische Musik in Verbindung mit Olivers vermeintlich revolutionären Erkenntnissen über das Leben an sich knallhart auf die ungeschönte Realität und bringt das Publikum unwillkürlich zum Schmunzeln.

Erst nach einer halben Stunde erfahren wir, woher der Titel Submarine eigentlich rührt.

Tonight I stumbled across an encyclopaedia entry on ultrasound. Ultrasound is a sound vibration too high frequency to be audible. It was first developed to locate submerged objects—submarines, depth charges, atlantis and such. Some animals, like bats, dolphins and dogs, can hear within the ultrasonic frequency.

But no human can. No one can truly know what anyone thinks or feels. What’s inside Mum? What’s inside Dad? What’s inside Jordana? We’re all travelling under the radar undetected. And no one can do a thing about it.

Diese Metapher steht für die ganze Tragik in Olivers Sozialleben. Er ist ein notorischer Kontrollfreak, späht sogar seine eigene Eltern aus und versucht durchweg, die Entscheidungen seiner Mitmenschen zu beeinflussen. Als Jordana und er zufällig doch zusammenfinden, scheitert er zusehends an ihrer Unfähigkeit, emotionale Bindungen zuzulassen, die der Krebserkrankung ihrer Mutter geschuldet ist. Obendrein muss er verzweifelt feststellen, dass er nichts gegen die immer größer werdende Krise in der Beziehung seiner Eltern unternehmen kann. Diese beiden Ereignisse führen schließlich zur Eskalation (auch sehr schön: die Erzählung wurde ganz traditionell in drei Akte mit Prolog und Epilog aufgeteilt).

Glücklicherweise kann ich gar nicht zu viel von der Handlung vorwegnehmen, denn durch das nicht sehr eindeutige Ende bekommt jeder die Gelegenheit, den Ausgang nach eigener Vorstellung zu gestalten. Wie jede gute Geschichte lebt Submarine auch gar nicht von seinem Inhalt, sondern von der Erzählweise. Katja Lüthge konstatiert, der Film wirke, wie sein Hauptdarsteller, vielleicht ein wenig zu schlau. »Seinem Charme schadet das nicht.« Schnitte und Effekte (Super 8!) werden maßvoll an den richtigen Stellen eigesetzt, die restliche Zeit über wissen die Schauspieler, uns zu überzeugen. Mit Craig Roberts und Yasmin Paige in den Hauptrollen sehen die Darsteller, wenn auch deutlich älter als ihre jungen Charaktere, endlich einmal nicht unnatürlich aus, wie es im Coming-of-Age-Genre leider nur zu oft der Fall ist. Selbst die Nebenrollen wurden mit Größen des britischen Kinos besetzt, ganz großartig fällt die Kombination von Sally Hawkins und Noah Taylor aus, die als Paar bis zur Unerträglichkeit verkrampft sind. Ich komme nicht umhin, noch einen Namen zu nennen, denn kein geringerer als Richard Ayoade, den wir alle als Moss aus The IT Crowd lieben, feiert mit diesem Film sein Regiedebüt. Hier dürfen wir auf jeden Fall noch eine glorreiche Karriere erwarten.

Submarine ist bisher definitiv mein Lieblingsfilm für dieses Jahr und feiert am Donnerstag, den 17. November, endlich auch seine Deutschlandpremiere. Joe Dunthornes gleichnamiger Roman kommt ganz oben auf meine etwas längere Noch-zu-lesen-Liste.

Florian Lehmuth
14. November 2011
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