Proudly made on earth

Vorgestellt: This Void

This Void Band

Ich denke, der beste Weg, um diese kleine große Geschichte zu erzählen, ist streng chronologisch vorzugehen.

Es passiert also folgendermaßen: Am frühen Nachmittag des 2. Aprils verspüre ich Lust auf einen Konzertbesuch. Einmal Songkick angeworfen und schnell festgestellt, dass an diesem Abend die lieben Cults im Lido spielen werden. Die Tickets dafür sind auch noch gewohnt günstig, mit zwei Klicks bestellt und kurze Zeit später ausgedruckt. Modernes Leben!

Nun ist es so, dass ich die Cults als sympathische, etwas Soul-inspirierte Schmuse-Indies sehr schätze. Ich habe ihre bisherigen Alben beide sehr genossen, wenn auch das erste ein wenig mehr. Aber einen kleinen Kritikpunkt gibt es trotzdem an dieser Gruppierung: Für den Soundtrack eines Lebens taugen sie nicht so wirklich. Mehr als fünfmal am Stück kann man ihre Alben nicht anhören. Wenn auch die Konzertleistung der New Yorker dann meine Erwartungen doch noch deutlich übertrifft, so ist es die Vorband, die an diesem Abend die absolute Überraschung für mich bildet.

This Void heißen die Jungs. Sie stehen pünktlich und äußerst selbstsicher auf der Bühne, als das Lido eigentlich noch leer ist und sich das komplette Publikum links und rechts des Dancefloors hingesetzt hat. Ich frage mich noch, ob die Meute einfach das ganze Konzert über sitzenbleiben wird. Doch dann stehen die ersten auf und innerhalb kürzester Zeit haben die Ex-Jever wenigstens ein paar der aufmerksamen Zuhörerinnen*, die sie verdienen. Noch während des Konzerts fällt mir wieder ein, dass ich auf diesem Blog viel zu wenig Künstlerinnen aus Deutschland vorstelle. Deshalb bitte ich die Jungs nach der Show um ein kurzes Interview.

Florian: Zuerst müsstet ihr mir bitte eure Namen auf Band sagen.

Daniel Ich bin Daniel, spiele Gitarre und singe.

Lukas Ich bin Lukas. Ich spiele Gitarre, mache Percussions und habe heute auch gesungen.

Daniel Eigentlich sind wir zu fünft. Aber heute nicht.

Lukas Heute hat Keno gefehlt, weil er noch eine Klausur schreiben musste, die extrem wichtig für sein Studium war.

Ist ja interessant (grinst). Meine erste Frage ist: Wie seid ihr zur Musik gekommen und wie seid ihr zur Band geworden?

Lukas Zur Musik gekommen ist sicher jeder auf seinem eigenen Weg. Wenn ich die Geschichte von meiner Seite aus anfange, ist es so, dass ich früher ganz viel mit Christian, dem Schlagzeuger, gespielt habe. Ich bin nämlich ursprünglich auch Schlagzeuger. So haben wir uns kennengelernt und mega viel zusammen gespielt. Dann war er irgendwann Schlagzeuger der Musical-AG im Gymnasium in Jever, wo wir alle fünf hingegangen sind. Weil er schon Schlagzeuger war, bin ich als Schauspieler dazugestoßen. Auf diesem Weg habe ich dann lustigerweise die anderen kennengelernt. Max, unser Bassist, war Gitarrist in der Schulband. In den darauffolgenden Jahren kamen dann noch Daniel und Keno als Schauspieler zur Musical-AG. Die beiden haben dann irgendwann beschlossen, eine Band zu gründen, erst einmal nur akustisch. Schnell war ihnen klar: Wir wollen das vergrößern.

Daniel Das war Ende 2010.

Lukas Sie haben mich dann angerufen, als ich gerade in Hamburg bei meiner Freundin war. Und meinten: Wir wollen eine Band gründen, hättste Bock? So hat sich das dann ergeben. Unser Ort ist nicht sehr groß. Wenn du in Jever eine Band gründest, schaust du erst mal: Was rennt hier so rum? Wir dachten dann, dass wir uns mit den beiden gut verstehen würden, weil von der Musical-AG schon der Teamspirit da war. Seitdem machen wir zusammen Musik. Und sind lustigerweise auch extrem gut befreundet: Teilweise kennen wir uns schon richtig, richtig lange. Aber ich rede sehr schnell, da hast du viel zu schreiben. Die Informationsdichte ist sehr hoch (wir lachen).

Nee, ist doch gut. Ihr habt es ja schon angerissen, aber es interessiert mich noch genauer. Wie ist die Musikszene in Jever?

Daniel Lustigerweise ist da die Musikszene vor zehn Jahren stehengeblieben. Wenn sich da eine junge Band gründet, so mit fünfzehn, dann spielt die Punk-Pop. Die hören noch alle Blink-182 und feiern das voll ab. Das ist wirklich strange: Die sind da einfach hängengeblieben. Und was sich sowieso immer hält ist Metal. Eine Musikszene im richtigen Sinne gibt es also gar nicht.

Lukas Nee, tatsächlich nicht.

Daniel Deshalb ist es auch schwierig, die passenden Leute für eine Neugründung zu finden. Wir hatten Glück, dass wir uns so schnell gefunden haben.

Lukas Wobei man glaube ich auch über Deutschland im Allgemeinen sagen muss, dass die Konzertkultur in den ländlichen Gebieten am Aussterben ist. Heute gehen die Leute zu Elektropartys oder in Discos. In gewisser Weise hat sich die musikinteressierte Jugend deshalb auf die Großstädte verlagert. Allgemein gehen Leute, die heute eine neue Band hören möchten, erst einmal zu Spotify. Und nach zwei Minuten machen sie die Musik wieder aus.

Das stimmt. Ich komme auch vom Dorf …

Daniel Machen die da auch noch Punk?

Viele meiner Freunde kennen sich echt gut aus. Die sind auf dem Stand der Zeit, man kann wirklich gut mit ihnen abhängen und dann auch Spotify hören (schmunzelt). Aber die große Masse geht in die Bierzelte (Zustimmung von Daniel und Lukas). Ihr habt eure Band also Ende 2010 in Jever gegründet. Wie ging es dann für euch weiter? Wie seid ihr größer geworden?

Daniel Im Januar 2011 war die Besetzung vollständig, wie sie auch heute noch ist. Erst einmal haben wir ganz viel in Jever und Umgebung gespielt und dann versucht, nach Hamburg zu kommen. Das Problem ist natürlich: In Jever sieht dich niemand; auch nicht in Oldenburg oder Bremen oder den anderen Städten der Region. Wenn du Aufmerksamkeit auf dich ziehen möchtest, musst du da spielen, wo die Musik schon ist. In Hamburg sind sehr viele Labels und Booking-Agenturen. Bei unserem zweiten Konzert in Hamburg hat sich dann unser jetziges Management bei uns gemeldet. Die haben uns zufällig gesehen und uns eine Mail geschickt. Total abgefahren, wenn man von Leuten kontaktiert wird, die auch große Acts wie Andreas Bourani oder Max Mutzke vertreten. Seitdem arbeiten wir mit ihnen zusammen; haben Songs geschrieben, das Album fertiggestellt, ein Label gesucht und so weiter. Wir sind sehr oft in Hamburg aufgetreten. Im Prinzip geht es darum, sich bekanntzuspielen.

Lukas Das Lustigste ist ja: An dem Tag, an dem uns unser Manager gesehen hat, sind wir in einem der kleinsten Venues Hamburgs aufgetreten. Du kommst rein und dann sind es noch drei Meter, bist du direkt vor der Bühne stehst. Mit sechzig Leuten ist der Laden voll.

Daniel Man mag es vielleicht nicht glauben, aber die Leute von den Labels und Agenturen hören sich sehr viel an und gehen auch wirklich zu den Konzerten.

Es gibt ein kurzes Intermezzo. Ein Mitarbeiter vertreibt uns aus der Lounge, weil die Bar schließen möchte. Also gehen wir Backstage. Lukas verlässt uns, weil er noch andere Aufgaben hat. Dafür bleibe ich kurz an Brian hängen, dem Frontmann von Cults. Ich spreche ihn auf seinen Kommentar auf der Bühne an, das deutsche Publikum sei so unglaublich höflich und zurückhaltend. Wir stellen fest, dass das Verhältnis von Menschen zu Musik und Künstlerinnen von Ort zu Ort verschieden ist, was natürlich völlig okay ist.

(Wieder zu Daniel) Wir haben viel über eure Entwicklung als Band gesprochen. Jetzt fehlt natürlich noch die Musik. Wer schreibt die Songs, wer macht die Melodien?

Daniel Es ist unterschiedlich, aber die meisten Songs schreibe ich. Manche habe ich auch schon auf der Akustikgitarre fertig. Akkordfolge, Melodie und grobe Struktur. Dann gehen wir in den Proberaum und arbeiten daran, sprich: Die Drums kommen dazu, wir entwickeln eine Bassline und aus meinen Ideen wird ein Gesamtwerk. Das ist der eine Weg, wie wir Songs schreiben; ansonsten gehen wir aber auch einfach in den Proberaum und jammen. In letzter Zeit setzen wir vor allem auf die zweite Methode. Irgendjemand bringt eine Idee ein und darauf aufbauend entwickeln wir dann einen Song.

Das klingt gut, nach einem eingespielten Team. Ich habe euch heute ja zum ersten Mal gesehen und gehört, deshalb kann ich euch noch nicht so recht in eine Genre-Schublade stecken. Auf jeden Fall habe ich da ein paar Post-Rock-Elemente entdeckt. Was würdest du über euren Stil sagen?

Daniel Schwierig. An sich wollen wir schon Pop-Musik machen. Aber natürlich nicht doof und simpel, sondern ein bisschen … anspruchsvoller. Es soll nicht jeder seinen Teil stumpf herunterspielen, sondern es soll eben auch das Schlagzeug etwas Besonderes machen, und vor allem auch der Bass. Ich weiß nicht, ob man das da draußen gehört hat, aber Max spielt nicht nur die Grundtöne mit, sondern auch sehr viele Riffs. Indie-Pop-Rock mit progressiven Parts würde ich unseren Stil nennen, und sehr rhythmisch.

Ich muss jetzt definitiv erst einmal ins Album reinhören. Natürlich wünsche ich euch, dass ihr bekannter werdet – verdient habt ihr es auf jeden Fall. Vielen Dank für das Gespräch!

Als ich mich auf mein Rad schwinge und den Nachhauseweg antrete, kann ich noch kaum fassen, was ich an diesem Abend gehört habe. Ein wenig fürchte ich mich, dass beim ersten Durchlauf von “Crystals” eine böse Überraschung auf mich warten könnte. Aber eigentlich konnte ich mich bisher auf meine musikalische Treffsicherheit ziemlich gut verlassen. Und so werde ich auch diesmal nicht enttäuscht. Eingängig sind die Songs auf jeden Fall und nach dem ersten Anhören kommen sie mir schon wie alte Bekannte vor. Aber trotzdem kommt keine Langweile auf, dazu haben die Jungs zu viele gute Ideen. Immer, wenn ich das Gefühl habe, das ein Lied zu glatt und strukturiert klingt, kommt im nächsten Moment schon der Bass, die Drums, die Gitarren, oder auch einfach nur Daniels einzigartige Stimme. Und zusammen reißt die Band die luftigen Melodien wieder zurück auf den Boden der Realität. Als ich dann irgendwann noch tiefer in die glitzernden Kristallstrukturen eintauchen möchte, entdecke ich die Texte. Da finden sich dann solch wunderbare kleine Zeilen:

we’re the ones with the hearts // sie sind weit weg von uns

we climbed up the moon // sie sind weit weg von uns

get my head right // get them guns fired // we’ve been growing with it makes us feel we’re doing right

Im ersten Video der Band zum Titel “Them Guns (Weit weg von uns)” erkenne ich übrigens auch ganz deutliche Zeichen einer neuen Entspannungskultur in deutschen Großstädten: Selbstbewusste Hipster und Spaß dabei. So soll es sein. »Wir sind zwischen zwanzig und vierundzwanzig Jahre alt,« verrät mir Daniel noch. Kaum zu glauben. Diese Band wird auf ihre eigene Art wachsen und reifen und wir werden noch viel Großartiges von ihr hören. »Sie sind weit weg von uns?« Das sind die anderen Bands aus Deutschland.

*Dieser Artikel enthält das Generische Femininum; eine einfache Möglichkeit, den gesellschaftlich verankerten Sexismus sichtbar zu machen, der sich eben auch in der Sprache niederschlägt.
Florian Lehmuth
16. April 2014
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